Gastbeitrag von Jürgen Elsässer / COMPACT-Magazin
Egon Bahr bestätigt Existenz der Kanzlerakte
Wie souverän ist Deutschland? Während des Kalten Krieges mussten Bundeskanzler geheime Unterwerfungsverträge gegenüber den Besatzungsmächten unterschreiben. Auch die Wiedervereinigung kam nur unter Drohungen zustande.Deutsche Bürger haben sich immer noch nicht – wie vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen – per Volksabstimmung eine eigene Verfassung gegeben. Es spricht juristisch manches dafür, dass es sich bei der Bundesrepublik um eine Art Nichtregierungsorganisation (NGO) handelt, der Sie durch Beantragung eines Personalausweises (müsste eigentlich Personenausweis heißen) unwissentlich beigetreten sind. Es gibt eindeutige Gerichtsurteile, die besagen, dass eigentlich noch die Weimarer Verfassung in Kraft ist, nur de facto nicht umgesetzt wird. Diese durchaus zu vertretende Rechtsauffassung wird durch die obskuren »kommissarischen Reichsregierungen« der Lächerlichkeit preisgegeben.
Die Existenz der im Internet berühmten BRD GmbH ist ein weiteres Indiz. Offiziell ist sie laut Webseite nur für die Verwaltung der Schulden verantwortlich. Kritiker monieren aber, dass in dieser Gesellschaft mit nur 25.000 Euro Eigenkapital alle Schulden gebündelt sind. Das ist nicht nachzuweisen, weil die Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH entgegen dem Gesetz, das das zwingend vorschreibt, ihre Bilanz nicht veröffentlicht. Es kursieren zwar einige im Internet, aber bis ein Gericht die Authentizität eindeutig feststellt, handelt es sich nur um Mutmaßungen.
Würde es stimmen, könnten wir uns dieser Schulden einfach entledigen, indem wir die GmbH in die Insolvenz schicken. Die Gerichte haben den Vollzug mehrerer diesbezüglicher Anträge bislang verweigert. Alles in allem wären das gute Nachrichten, auch hinsichtlich unserer Haftung für die griechischen Schulden. Möglicherweise sind die Politiker, die das gedreht haben, also doch keine Landesverräter. Man mag’s kaum glauben.
Eine weitere Merkwürdigkeit ist die sogenannte Kanzlerakte. Vorweg: Die Kanzlerakte, die im Internet kursiert, ist definitiv eine Fälschung.
******* Den unterzeichnenden „Staatsminister Dr. Rickermann“ gab es nie; das angebliche BND-Dokument hat keinen BND-Briefkopf; außerdem wurde der BND erst 1956 gegründet, das Dokument soll aber von 1949 stammen. Man beachte die Rechtschreib- und Tippfehler. Auch der frühere MAD-Chef Gerd-Helmut Komossa, der die „Kanzlerakte“ in seinem Buch Die deutsche Karte (Ares-Verlag, 2007) weiterverbreitet hat, ruderte später zurück: „Auch heute weiß nicht, ob es echt oder Fälschung ist. Letzteres ist zu vermuten.“*********
Die »Kanzlerakte« soll ein geheimes Papier sein, das die jeweilige Regierung der Bundesrepublik Deutschland zwingt, im Sinne der Alliierten zu handeln, deren Version vom Ablauf des Zweiten Weltkrieges zu verbreiten und ihnen die Medienhoheit bis zum Jahr 2099 zu sichern. Jeder Bundeskanzler hätte dieses Schriftstück, das ein Teil eines geheimen Staatsvertrages vom 21. Mai 1949 sein soll, nach dem Ablegen seines Amtseides unterzeichnen müssen. Es gibt keine Beweise dafür, dass es eine Akte mit genau diesem Inhalt gibt.
Aber kein Geringerer als Egon Bahr bestätigt, dass ein Schriftstück existiert, das tatsächlich jeder Kanzler unterschreiben muss. In einer Serie von Zeit Online mit dem Titel »Mein Deutschland« (Teil 9) schreibt er am 14. Mai 2009 über ein Ereignis, das sich im Herbst 1969 nach Willy Brandts Vereidigung als Bundeskanzler zugetragen hat: Brandt war wichtig, zu berichten, was ihm »heute passiert« war. Bahr erinnert sich: „Ein hoher Beamter hatte ihm drei Briefe zur Unterschrift vorgelegt. Jeweils an die Botschafter der drei Mächte – der Vereinigten Staaten, Frankreichs und Großbritanniens – in ihrer Eigenschaft als Hohe Kommissare gerichtet. Damit sollte er zustimmend bestätigen, was die Militärgouverneure in ihrem Genehmigungsschreiben zum Grundgesetz vom 12. Mai 1949 an verbindlichen Vorbehalten gemacht hatten. Als Inhaber der unkündbaren Siegerrechte für Deutschland als Ganzes und Berlin hatten sie diejenigen Artikel des Grundgesetzes suspendiert, also außer Kraft gesetzt, die sie als Einschränkung ihrer Verfügungshoheit verstanden. Das galt sogar für den Artikel 146, der nach der deutschen Einheit eine Verfassung anstelle des Grundgesetzes vorsah.“
Bahr berichtete weiter: „Brandt war empört, dass man von ihm verlangte, ,einen solchen Unterwerfungsbrief‘zu unterschreiben. Schließlich sei er zum Bundeskanzler gewählt und seinem Amtseid verpflichtet. Die Botschafter könnten ihn wohl kaum absetzen! Da musste er sich belehren lassen, dass Konrad Adenauer diese Briefe unterschrieben hatte und danach Ludwig Erhard und danach Kurt Georg Kiesinger (…) Er schloss: ,Also habe ich auch unterschrieben‘ – und hat nie wieder davon gesprochen.“
Laut Bahr erlangte die Bundesrepublik ihre Souveränität erst mit den Zwei-plus-Vier-Verträgen im Zuge der Wiedervereinigung. Das ist unter Juristen – nicht in den Medien – aber durchaus umstritten. Schließlich rückte Bahr erst jetzt mit der Sprache über die geheimen Schriftstücke heraus. Bis dahin ging jeder davon aus, dass Deutschland souverän war. Selbst Bahr weist später darauf hin, dass Deutschland erst dann eine Verfassung hat, wenn das Volk darüber abstimmt: Der Artikel 146 aus dem Jahre 1949 ist 1990 ergänzt worden: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
Über den Autor:
Jürgen Elsässer, Jahrgang 1957, arbeitete seit Mitte der neunziger Jahre vorwiegend für linke Medien wie Junge Welt, Konkret, Freitag, Neues Deutschland. Nachdem dort das Meinungsklima immer restriktiver wurde, ging er unabhängige Wege. Heute ist er Chefredakteur von COMPACT-Magazin.
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